Nach 10 Jahren in der IT und Beratungsbranche ist mir immer wieder aufgefallen, dass es nahezu kein Unternehmen in dieser Branche gibt, welches in seinen öffentlichen Informationen Preise nennt. Auch eine aktuelle Recherche auf fast 50 Webseiten von Beratungs- und IT- Unternehmen spiegelt dieses Bild wider.
Der Preis ist heiß! Oder doch nicht? Was in anderen Branchen, wie zum Beispiel im Handel ganz normal ist, wird hier geradezu versteckt! Blättern sie die Werbepost aus ihrem Briefkasten durch und sie werden feststellen, dass ihnen die Preise nur so entgegenschreien. Alle Abarten von Preisen sind dort zu finden. Sonderpreise, Aktionspreise, Sommerschluß- und Winterschlußpreise, Preise für Großabnehmer und Preise für Neukunden. Ja sogar diese werden noch von Rabatten gekrönt, die uns in den Genuß von rabattierten Preisen bringen.
Doch sehen sie sich die Webseiten der IT- und Beratungsunternehmen an – dort existieren keine Preise. Dort werden ihnen Produkte und Lösungen (auch für Probleme die sie noch nicht haben) präsentiert. In ganzen Romanen wird ihnen der Nutzen dargelegt. Ja sogar Nutzenberechnungen, TCO (Total Cost of Ownership) und ROI (Return On Investment) Argumentationen vorgeführt. – Doch KEIN PREIS!
Ich frage mich schon seit langem, woher diese Scheu, Preise zu nennen, kommt. Doch das dürfte in diesen Branchen symptomatisch sein. Fragen sie einen Verkäufer in diesen Branchen beim ersten Besuch, was seine Dienstleistung kosten soll. Sie werden beobachten können, wie der innere Kampf des Verkäufers sichtbar wird. Meist ist die erste Antwort: „Das kommt darauf an.“ – Auf was kommt es an? Der innere Konflikt geht weiter, es werden umständliche Formulierungen und langatmige Erklärungen gesucht, bis dann letztendlich schon fast zaghaft und nur unter massivem Druck eine schwammige Definition einer Summe heraufgewürgt wird.
Es kommt einem vor, als ob Verkäufer Angst hätten einen Preis für ihr Angebot zu nennen. Sind sie so wenig von dem Wert ihres Angebots überzeugt, dass sie sich nicht trauen den Preis dafür zu nennen? Oder sind sie sogar der Meinung, dass der Preis dafür nicht gerechtfertigt ist?
Ein Grund für diese „Scheu“ vor dem Preis liegt meiner Ansicht nach,unter anderem, in den Trainings der Verkäufer! Am eigenen Leib habe ich dort jahrelang Programme von „Value Based Selling“, Nutzenargumentation, Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen, etc. durchgemacht. Eine wahre Gehirnwäsche, ständig den Nutzen seines Angebots argumentieren und erklären zu müssen, kann ich ihnen sagen. Wenn ein Verkäufer tagelange Trainings durchlaufen muss um den Nutzen seines Angebots argumentieren zu können, kann sich schon mal das Gefühl einstellen, dass der Preis dafür einfach zu hoch sein muss! – Also nennen wir ihn sicherheitshalber so spät wie möglich.
Die Idee hinter dieser Strategie ist eine relativ durchschaubare. Sie argumentieren bei potenziellen Kunden mit dem wahnsinnig hohen Nutzen ihres Angebots. Ja, manchmal bieten sie ihm sogar an, diesen zu berechnen. Der dann auf dem Tisch liegende potenzielle Nutzen von sagen wir einmal einer Million Euro Einsparung im Jahr, rechtfertigt doch leicht ein Projekt um 100.000EUR. So der Gedankengang. Verkäufer sitzen dann oft ziemlich verdrossen da, wenn aufgrund dieser Argumentation doch kein Geschäft zustandekommt. Wie kann ein Kunde so blöd sein und 900.000EUR Einsparung einfach NICHT zu realisieren?
Nun lassen sie mich die Sache von der emotionalen Seite betrachten. Einfach gesagt, die Sache klingt ZU GUT! Und wenn etwas zu gut klingt, ist ein Haken dabei! – So einfach sind wir Menschen gestrickt! Denken sie an die SPAM und Fishing mails die sie täglcih erhalten. Meist beginnen sie mit „Mein lieber Freund….“ Irgend jemand gibt sich als Sachwalter eines unglaublichen Vermöens von 150 Mio. $ aus und bietet ihnen 10% davon an, wenn sie ihm „nur“ ihre Kontodaten geben! Die natürliche Reaktion ist, das Mail spätestens nach dem wir „Mein lieber Freund..:“ gelesen haben, zu löschen. Und ebenso ist es mit ihrer „Nutzenargumentation“! In dem Moment, wo sie aus ihrer Sicht „bewiesen“ haben, wie toll ihr Angebot ist, ist es auch schon wieder vorbei!
Was hat das nun mit dem Preis zu tun? Nun ganz einfach. Das Nennen von Preisen, auch auf ihrer Webseite oder in ihrem Marketingmaterial macht es einfach für potenzielle Kunden, dieses selbst zu bewerten! Nämlich zu bewerten ob sie sich das leisten können oder wollen! Denn nur darum geht es! Alles andere wirft sie in die unseriöse Ecke derer, die Glücksspiele und Pfadfinderlose verhökern. Klar, sie werden das eine oder andere „Los“ verkaufen – doch nur, wenn jemand gerade „spielen“ möchte!
Stellen sie nicht die Argumentation für ihren Preis in die Auslage – sondern den Preis! Lassen sie potentziellen Kunden den Freiraum selbst zu bewerten, ob das Preis – Leistungsverhältnis stimmen könnte! Ohne der frühzeitigen Nennung eines Preises machen sie einen Faktor in der Formel zu einer Unbekannten – und damit die Lösung komplizierter!
Jetzt werden viele sagen, im Projektgeschäft ist das nicht möglich. Der Preis ist jedesmal ein anderer! Stimmt! Aber wenn sie auf ihrer Webseite ein großartiges Angebot für Strategieberatung, Prozessberatung und Managementberatung präsentieren – dann schreiben sie doch dazu, dass jeder Tag von dieser Dienstleistung 1.200,- EUR kostet! Wenn sie wollen, können sie noch dazuschreiben, dass ein durchschnittliches Projekt 50 Tage in Anspruch nimmt! Sie werden nurmehr mit Kunden sprechen, die 60.000,- EUR (oder mehr) ausgeben wollen! UND – wissen, dass ihre Dienstleistungen offensichtlich auch ihren anderen Kunden 1.200,- EUR am Tag wert sind! So können sie selbstbewußt den Wert ihrer Leistung verkaufen!
Hallo Herr Lohner,
Ihr Beitrag sprach mir sehr aus der Seele und die damit angeregte Diskussion bei Xing hat doch aufgezeigt, wie heiß und emotionsgeladen dieses Thema ist.
Meiner Meinung nach halten sich die Meisten von einer Preisangabe zurück, um Verhandlungsspielraum zu haben und sich eine größere Zielgruppe zu halten. Dass sie damit jedoch auch viele verlieren und unnötige Verhandlungszeit verschwenden, wird oft übersehen.
Natürlich ist alles relativ. Wenn der eine Grafiker für ein Logo 35 € Stundenlohn angibt und 15 Stunden kalkuliert, während der mit 100 € in drei Stunden fertig ist, ist das ein schönes Beispiel dafür, dass letztendlich trotzdem das persönliche Gespräch wichtig ist, um herauszufinden ob man zusammen kommen kann oder nicht.
Dennoch bin ich jemand, der bzw. die ein preisliches Grundgefühl haben möchte, um einen Dienstleister in Erwägung zu ziehen. Wenn ich keinen Preis erkennen kann, bin ich meistens weg. Der nächste Anbieter mit Preisangabe ist nur wenige Klicks entfernt. Und das hat nichts mit Preishascherei zu tun, denn es geht ja in beide Richtungen. Wer mir zu billig ist, fliegt aus der Betrachtung ebenfalls raus.
Mit sonnigen Grüßen
Tanja Falge
http://www.e-swot.com